Für Eltern ist es oft um ein Vielfaches schmerzlicher, den Schmerz ihrer Kinder zu erleben, als den eigenen. Was können Eltern also tun, wenn sie ihren Kindern den Schmerz nicht nehmen können? Ein kleiner Exkurs zu Kindertrauer um ein Haustier.
Trauern ist wie Pfützen Springen…
Kinder trauern anders als Erwachsene. Und jüngere Kinder trauern anders als ältere Kinder undsoweiter. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie Kinder trauern, wird häufig davon gesprochen, das sie ihre Trauer leben wie „Pfützenspringer“.
Sie springen von einem Moment auf den anderen in eine Trauerpfütze hinein, und vielleicht ist keine Trauerpfütze so tief oder so schmutzig wie die andere. Manchmal machen sie sich von Kopf bis Fuß nass, und manchmal vielleicht nur die Füße. Manchmal steigen sie sogar mit Gummistiefeln in die Pfütze, sodass sie selbst gar nicht wirklich nass werden, sie aber die Nässe auf den Stiefeln erleben.
Und dann, wenn es für den Moment genug ist, springen sie auch wieder raus aus der Pfütze, schütteln sich ab und sind ganz im Hier und Jetzt. Können spielen, oft auch lachen und richtig Spaß haben. Kinder haben da oft ein bewundernswertes Gespür für sich selbst.
Was daran gut ist? Trauern ist anstrengend. Furchtbar anstrengend. Und deshalb brauchen wir auch Erholung von der Trauer, Phasen, in denen wir Schönes erleben und Kraft tanken können. Das heißt: Kinder sind nicht pietät- oder respektlos, wenn sie Lust haben, auf eine Geburtstagsfeier oder Party zu gehen, obwohl sie gerade eben erst einen Verlust erlitten haben. Sie handeln intuitiv klug und schützen sich vor einer Überforderung durch den Schmerz. Statt ihnen das vorzuwerfen, sollten wir uns eine echt dicke Scheibe davon abschneiden.
Trauer als „normale“ Reaktion
Trauer ist Ausdruck von Verlust, Ausdruck von Liebe und Bindung. Trauersymptome sind z.B. emotionale Schmerzen wie Traurigkeit, aber auch Schuldgefühle, Wut und die Weigerung, den Verlust anzunehmen. Trauer ist aber auch körperlich. Der ganze Körper kann schmerzen, und die von Eltern und Kinderärzt:innen gefürchteten Bauchschmerzen können ein Ausdruck von Trauer sein.
Häufig machen Kinder nach einer Verlusterfahrung einen Rückschritt in ihrer Entwicklung, manchmal sogar Riesenrückschritte. Es kann z.B. sein, dass ein großes Kind oder Jugendliche:r plötzlich (nachts) einnässt. Das erschreckt uns furchtbar in dem Moment, ist aber zunächst kein Grund zur Sorge, auch wenn Eltern die Sorge natürlich nicht rational abstellen können.
Wie begleitete ich mein Kind nach einem Verlust?
Die gute Nachricht ist: die allermeisten Eltern begleiten ihr Kind intuitiv angemessen in Phasen der Trauer. Hinschauen, hinspüren, eher fragen und zuhören als auf das Kind einreden, Stabilität in den familiären Strukturen, viel Da-Sein. Kinder brauchen Eltern, die das hinkriegen. Und Kinder brauchen Eltern, die ihre eigene Trauer bewältigen können. Die ihre Gefühle zeigen, auch ihre Ohnmacht in mancher Situation, aber over all durch ihre Taten signalisieren, dass sie auch dieser Herausforderung gewachsen sind. Wenn nicht ganz alleine, dann mit der Unterstützung, die sie in Anspruch nehmen.
Wann brauchen wir Hilfe in der Trauer
Eine anhaltende Trauerstörung wäre abzuklären, wenn Kinder nach etwa einem halben Jahr nach wie vor stark im Trauerschmerz verhaftet sind, Rückschritte anhalten und ggfs. weitere hinzukommen. Festhalten an dem Leben vor dem Verlust und sich dem Leben „danach“ zu verweigern, würde mich auch sehr wachsam machen, ebenso wie körperliche Symptomatik (Bauchweh, Kopfweh, Hautprobleme, Magen-Darm-Probleme, Veränderungen im Appetit, im Schlafverhalten etc.) unklaren Ursprungs. Der dürfte nämlich – wahrscheinlich ist, was wahrscheinlich ist – nämlich im Verlust liegen.
Hole dir Hilfe, zunächst z.B. beim Kinderarzt deines Vertrauens. Und dann bei Fachleuten. Wenn du möchtest, bei mir.
Und wie helfe ich meinen Kind, wenn es um unser Tier trauert?
Mach, was dein Kind will. As simple as that. Spiele mit ihm, wenn es spielen will. Im Spiel gelingt es gerade den jüngeren Kindern gut, das auszudrücken, was sie bewegt. Und man muss kein ausgebildeter Kindertherapeut sein, um da Parallelen und Zusammhänge zum Tod des Haustieres zu erkennen, das verspreche ich dir.
Malen und Musik z.B. sind auch Ausdrucksformen für Gefühle jenseits von Sprache.
Gut ist, was gut tut. Das sage ich allen Erwachsenen, die sich Unterstützung zur Verlustbewältigung bei mir suchen. Das gilt auch für die Kinder, finde ich. Das heißt jetzt nicht, dass immer wieder ein ganzes Abendessen aus Gummibärchen vor dem Fernseher mit Sponge Bob bestehen muss – aber warum eigentlich nicht?
Und wenns gut tut, sich einen ganzen Nachmittag lang im Schwimmbad auf einer abenteuerlichen Rutsche zu gruseln, um sich und die eigenen Grenzen zu spüren und zu verschieben, dann bitteschön! Und zwischendrin halt eine kleine Arschbomben-Challenge. Gemeinsam. Denn du. Bist. Nicht. Allein. Darum geht‘s!
Und zwischendrin: die Erinnerung an euer Haustier, euren Hund, eure Katze, das Kaninchen oder das Pferd pflegen. Dein Kind muss nicht mitmachen, wenn es nicht will – erschrick nicht, falls das so ist. Aber sei dir sicher, es beobachtet dich ganz genau. Wie du dich erinnerst, wie du Fotos durchsuchst und vielleicht ein Fotobuch erstellt. Wie du malst für euer Tier. Vielleicht einen Stein bemalst, den du dann auf dem Grab oder an einer anderen schönen Stelle ablegst. Wie du eine Kerze selbst ziehst oder rollst, oder eine fertige Kerze verzierst oder einfach anzündest so, wie sie ist. Oder ihr macht es halt gemeinsam. Gerade diese Momente der Erinnerung sind es, in denen wir ganz besonders gut mit unseren Kindern in Kontakt, ins Gespräch kommen können.
Umgang mit Schuldgefühlen, Vorwürfen & Verantwortung
Das war das Thema, das ich mir eigentlich für heute vorgenommen hatte. Irgendwie ist es anders gekommen. Sarahs Fall, bzw. Lokis Tod möchte ich hiermit gerne abschließen. Ich will ja hier keinen Trauerblog schreiben, sondern einen Mensch-und-Tier-Blog.
Die Schuldgefühle kommen eher früher als später eh wieder ins Spiel, spätestens wenn es um Euthanasien, also das Einschläfern geht.
Schau wieder rein!
Contentwarnung
Die Schilderung von echten Fällen kann starke Gefühle auch beim Lesen auslösen oder dich an eigene schlimme Erlebnisse erinnern. Wenn du merkst, es wird dir zu viel, unterbrich bitte und suche dir Beistand.
Gerne bei mir, wenn du möchtest, aber natürlich auch bei den Menschen in deinem Umfeld oder zum Beispiel hier: https://www.telefonseelsorge.de/
Wenn du dir nicht so ganz sicher bist, dass das alles noch in einem gut handelbaren Rahmen abläuft, oder du jemanden kennst, bei der oder dem du das vermutest – oder ihr in eurer Beziehung da vollkommen unterschiedlicher Meinung seid: Ich veranstalte regelmäßig online-Themenabende für Tierhalter zu verschiedenen Themen. Darunter ist auch einer, in dem es sich genau hierum dreht. Schau mal rein: